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Unternehmer unzensiert!

VLAB at Stanford [1]

VLAB at Stanford

Vor kurzen fand an der Stanford University eine Veranstaltung [2] zum Thema  „Entrepreneurs Uncensored!“ im Rahmen des MIT/Stanford Venture Lab [3]statt.  Erfolgreiche Unternehmen berichten, wie  sie mit einem Geschäftsmodell, von dem man sich Erfolg versprach. Der Schlüssel zu ihrem Erfolg lag dabei in der innovativen Vermarktung ihres Geschäftsmodells.  Drei erfolgreiche Unternehmer berichteten hierzu über ihre eigenen Erfahrungen,  was es braucht, um ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen.

Die Referenten waren Marissa Mayer (Google), Tim Brown (IDEO) und Randy Komisar (Kleiner Perkins & Getting to Plan B). Moderiert wurde die Veranstaltung von  Ravi Belani (Draper Fisher Jurvetson)

Das Panel war damit sehr gut besetzt, da es eine breite Basis an Berufen und Erfahrungen repräsentierte und besonders die Teilnehmer im Laufe der Zeit in vielen unterschiedlichen Unternehmen eingebunden waren. Daher als erstes ein kleiner Background von jeden Teilnehmer:

Marissa Mayer leitet bei Google  den Sektor  Produktmanagement für den Bereich „Suche“ . Dazu zählen alle Suchen, also die Websuche, Bilder, Nachrichten, Bücher, Produkte, Maps, Google Earth, Google Toolbar, Google Desktop, Google Health, Google Labs und mehr. Sie kam 1999 zu Google und war dort die erste weibliche Ingenieurin [4].  Zu diesem Zeitpunkt  führte sie die Benutzeroberfläche ein und leitete die Webserver-Teams. Zu ihren Aufgaben zählten Entwurf und der Entwicklung der Google-Suchoberfläche, die Internationalisierung der Website in mehr als 100 Sprachen, die Definition von Google News, Google Mail und Orkut [5] sowie die Einführung mehr als 100 Funktionen und Produkten auf Google.com. Mehrere Patente wurden für ihre Arbeit in der künstlichen Intelligenz und Interface-Design eingereicht. In ihrer Freizeit organisiert Marissa Mayer ein paar Mal im Jahr zu dem Google Movies – Ausflüge für über 6.000 Teilnehmer (Mitarbeiter sowie Familien und Freunde), um die neuesten Kinohits anzuschauen .

Neben ihrer Vollzeitbeschäftigung bei Google hält Marissa Einführungskurse in die Programmierung vor Klassen der Stanford University mit mehr als 3.000 Studenten. Stanford University hat sie mit den Centennial Teaching Award sowie dem Forsythe Award ausgezeichnet für ihren herausragenden Beitrag zur Undergraduate-Ausbildung. Im Jahr 2008, wurde Marissa mit 33 Jahren, die jüngste Frau, die jemals auf Stärkster Fortune’s Women Liste (# 50) aufgenommen werden.

Tim Brown ist CEO und Präsident von IDEO. Als  Industrie-Designer hat er  zahlreiche Design-Auszeichnungen bekommen  und hat Arbeiten im Museum of Modern Art in New York, Axis Gallery in Tokyo, und das Design Museum in London ausgestellt. Besonders interessiert ihn [6] die Konvergenz von Technik und Kunst, sowie die Art und Weise, in der Design verwendet, um das Wohlbefinden der Menschen in Schwellenländern gefördert werden kann.

Tim berät Führungskräfte und Gremien und hält strategischen Kundenbeziehungen mit Organisationen wie der Mayo Clinic, Microsoft, PepsiCo, Procter & Gamble und Steelcase. Er ist unter anderer Vorstandsmitglied der Mayo Innovation und des Beirates der Acumen Fund, eine weltweite Non-Profit Organisation, die mit  Venture-Fonds auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen ausgerichtet ist. Darüber hinaus schreibt er Artikel  in der Harvard Business Review, The Economist, und anderen Publikationen. Sein Buch „Change by Design“, wurde von HarperBusiness im September 2009 veröffentlicht.

Randy Komisar ist bei der Firma Kleiner Perkins Caulfield & Byers seit 2005 Partner. Zuvor arbeitete er seit vielen Jahren für Unternehmen mit Spitzentechnologien. Dabei  war er unteranderen ein Mitbegründer der Claris Corporation, als CEO für LucasArts Entertainment und Crystal Dynamics, und fungierte als eine „virtueller CEO“ für Firmen wie WebTV und GlobalGiving. Er ist Gründungsdirektor von TiVo und ist beim Global Advisory Board für die UCSB am  Institut für Energie-Effizienz. Er ist aber auch Dozent für Entrepreneurship an der Stanford University und Autor des Bestsellers The Monk and the Riddle, sowie mehrere Artikel über die Führung und Unternehmertum. Er ist auch der Co-Autor eines neuen Buches über Umgang mit Innovationen „Getting to Plan B“

Ravi Belani ist Mitarbeiter [7] bei Draper Fisher Jurvetson. zuvor  arbeitete er im Sektor Product Management bei Software-Startup Zaplet (übernommen von MetricStream. Als Management Consultant bei McKinsey and Company’s Büro in San Francisco, arbeitete mit Ravi Fortune 500 hallo-Tech-und Biotech-Unternehmen auf eine Reihe von strategischen Fragen, einschließlich der Attraktivität des Marktes Bewertungen, Preise, Channel-Strategie und die Entwicklung neuer Produkte Prozesse. Er hat auch bei Medtronic über drahtlose Kommunikationstechnologien für Remote-Patientenüberwachung und in Equity Research bei Bridgewater Associates gearbeitet.
Ravi ist Absolvent der Stanford University und hält einen BS mit Auszeichnung und MS in Industrial Engineering and Engineering Management. Desweiteren hat er einen MBA der Harvard Business School.

VLAB Panel [8]

VLAB Panel

Alle Sprecher berichteten hierbei aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz. Marissa gab die Kernerfahrungen dabei anhand vier der wichtigsten Punkte mit entsprechenden Anekdoten zum Besten:

1. Users, Users, Users

Google ist auf seine User fokussiert. Alles was der User sucht, klickt, tippt wir von Google statistisch ausgewertet. So sind sie sehr nah an den Menschen und können umgehend reagieren. Die Anekdote hierzu war, dass sie sich bei der Einführung der News nicht einigen konnte ob sie diese nach Zeit oder nach Orten sortieren sollten. Daher wurde beides erstmal als Prototyp implementiert und dann das Feedback ausgewertet. Am Ende gab es 300 Rückmeldungen von Nutzern die nach Zeit-Variante nutzten, gegenüber drei die die Orts-Variante einsetzten.

Kernaussage: Das ideale Produkt im Markt ist das, welches unmittelbar auf die User reagiert, auf ihre Bedürfnisse.

2. Innovation not instant Protection

Beta ist Programm

So verändert Google ständig seine Algorithmen um die Suche innovativer zu machen, dabei werfen sie alte Konzepte über Bord. Hierbei haben sie ihn einmal so verändert, dass in den Newsgruppen folgender, sinngemäßer Kommentar auftauchte:

Das was Google da gemacht hat ist unglaublich. Stell dir vor, du gehst in deine Lieblingsbücherei und suchst nach einem bestimmten Buch. Aber statt des Buches das du suchst, geben sie dir einfach 10 Stück aufs Geratewohl.

Refakturierung von Komponenten hat also eine zentrale Bedeutung. Das bedeutet aber auch, dass Software immer eher Prototypcharakter hat.

3. Technologie und Applikationen

Als Google  Gmail Anzeigen einführen wollte, gab es Überlegungen wie die Integration erfolgen sollte. Auch hier spielt der Gedanke, es nutzernah auszutesten eine wichtige Rolle.  So war ein Ansatz, daß über Stichwörter an die Mails Werbung angehängt werden sollte. Nach einer Nachtschicht kam sie am nächsten Morgen wieder und ihr Mitarbeiter hatte die Anzeigen implementiert. Sie haben es wieder abgeschafft, aber die Tatsache, dass über die Texteingabe gescannt wird und entsprechende Anzeigen angeboten werden, ist geblieben.

4. Speed

Tim saget im Wesentlichen aus, dass die User zum Unternehmen kommen, weil sie etwas bestimmtes wollen

You do not get innovation in your business unless you spent time on experimentation.

Der Unternehmer soll experimentieren, mit verschiedenen Designs, Algorithmen etc. und dann schnellstmöglich das Produkt mit einem Kostenfaktor von ¾ des vorhanden Budgets auf den Markt bringen. Das restliche Viertel dient der Weiterentwicklung. Es sollte jeder im Unternehmen eingebunden werden, die besten Ideen kommen meistens „vom Rand“, eben nicht aus der Führungsetage sondern von den Mitarbeitern. Es ist wichtig, seine Erfahrungen, gute und schlechte, zu teilen, damit andere davon lernen können und man sich selbst reflektieren kann um es zu einem anderen Zeitpunkt besser zu machen.

Auf der gleichen Schiene fuhr auch Randy. Auch er ist der Meinung möglichst schnell zu produzieren und sei es noch so unausgereift. Hat man erst mal einen Fuß in der Tür, kann man noch immer die nächste Beta Version entwickeln. Es geht um die eigene Positionierung im Markt. Macht man seine Sache halbwegs gut, hat man eine entsprechend starke Community hinter sich und diese wird das Produkt verteidigen und auch den größten Unsinn kaufen (Crap Stuff). Er brachte als Beispiel hierzu Steve Jobs und seine neues Iphone.

Es wurden noch einige Fallbeispiele mit den Teilnehmern des Forums diskutiert. Teilnehmererklärten hierbei in 30 Sekunden ihre Idee nebst dem Problem und bekamen Ratschläge. Dazu muss man aber sagen, Ratschläge können auch Schläge sein.

Im Anschluss ergab sich noch die Gelegenheit ein paar Worte mit Marissa und Tim zu wechseln:

Im wesentlichen benutzt Google seine User als Versuchskaninchen. Sie werten alle klicks und Suchanfragen aus, generieren daraus Statistiken und passen damit ihr System an. Marissa sagte mir, dass das nicht schlimm oder illegal wäre, amazon, paypal, ebay würden das auch tun. Nur so könne man direkt und schnell auf den User reagieren. Nah am User ist Google jedenfalls.

Tim befragten wir zum Thema Nachhaltigkeit. In Deutschland wird eher Wert auf langlebige, qualitativ hochwertige Produkte gelegt. Heute Abend wäre der Tenor aber ein anderer gewesen. Er meinte hierzu, dass man weder das Geld noch die Zeit hätte um noch dementsprechend zu arbeiten. Das wäre „old school“ und alles andere als Kundenfreundlich. Man muss das Userverhalten auswerten und unmittelbar reagieren. Dazu  ist die Lebensdauer eines Produkts nicht mehr lang genug. Damit dürften Methoden der agilen Softwareentwicklung und das ständige Refakturieren von Code immer mehr zum Normalfall werden.

Yes, we can clone ?

Das „Schimpfwort“ der Bananensoftware, die bei Kunden reift wurde von allen Teilnehmern als kundennaher Ansatz dargestellt. Tatsächlich kann dieser Weg bei vielen Firmen beobachtet werden: Google führt neue Dienste ein, die jahrelang als „Beta“ gelten. Auch immer wieder auftauchende Lastprobleme bei Twitter oder die aktuellen Einführungsprobleme von Flipboard [9].

Könnte dies ein Grund sein, dass aus Deutschland so wenig wirklich innovative Ideen kommen und man sich eher an Klonen von US-Diensten [10] orientiert ?  In einen Land, wo Softwarequalität wichtig ist, man mit Pflichtenheften und besonders Festpreisen arbeiten möchte, kann mit Methoden der agilen Softwareentwicklung schwer umgehen. Der Ansatz mit Budgets zu arbeiten, mit auch nicht ausgreifter Software an den Markt zu gehen und dann zeitnah zu reagieren, also auf den Nutzer zu hören, hat keine breite Kultur.

Könnte also Software Qualität „Made in Germany [11]“ sich hier zum Wettbewerbsnachteil entwickeln ?   Wenn man jedoch die Methoden und nicht Lösungen klonen möchte, müsste sich viel ändern. Angefangen von den Einstellungen von Investoren und Kunden, über die Struktur der Förderprogramme und deren Vorraussetzungen, aber auch an rechtlichen Rahmenbedingungen für Startups. Damit ist allerdings weniger zu rechnen und daher ist die Tendenz der Abwanderung in die USA kaum zu ändern [12]. (AE/FS [13])