- The Silicon Valley Experiment - https://www.siliconvalleyblog.de -

Die letzten vier Magazine des Lebens ?

Pads vs Print

Das Internet hat viele Industrien durcheinander gebracht. Angefangen mit der Musikindustrie, die sich am Ende primär mit Anwälten glaubte gegen die Entwicklung zu stemmen. Darauf folgte die Filmindustrie die sich mit Regionalcodes, Vertriebsrechten und Verfahren, die an mittelalterlicher Kleinstaaterei erinnern, glaubte schützen zu müssen. Aktuell geht die Angst in Verlagshäusern um: Zeitungen und Zeitschriften kämpfen in den USA schon lange mit einen wachsenden Bedeutungsverlust. Nicht zuletzt, weil der Vertrieb an Abonnenten hier eine geringere Bedeutung hat als z.B. in Deutschland.

Die Art wie Informationen entstehen und verbreitet werden, wurde schon vor vielen Jahren vom Internet verändert, aber erst jetzt erreicht es die breite Masse. Redaktionen entlassen Mitarbeiter, die verbleibenden Redakteure nutzen verstärkt Twitter, Facebook und andere Nachrichtenquellen, da die Zeit für eigene Rechercheren immer mehr fehlt. Was manche Marketing- und PR Agenturen freuen dürfte, denn damit werden Social Media Strategien möglich um eine gewisse Deutungshoheit bei Themen in klassischen Medien zu erreichen.

Die Redaktionen hingegen freut es nicht. Erst in den letzten Monaten hat diese Existenzangst eine neue Dimension erreicht. Erfolgreiche Projekte wie die Huntington Post und nicht zuletzt die Entscheidung von Apple, mit iBooks und dem iPad in den Markt einzusteigen, haben diese Ängste befördert. Waren erst davon primär Buchverlage erfasst, stellt sich jetzt die Frage, ob Zeitungen und Magazine in Zukunft noch eine relevante Bedeutung haben werden.

Vier Anwendungen – alle für das iPad – sollen hierfür als umweltschonendes [1] Beispiel dienen. Den am Ende ist die Frage, wird man vielleicht nur noch diese Art von Anwendungen brauchen und ist damit das Ende der klassischen Papierzeitung erreicht ?

Die private Zeitung

Flipboard [2]

Flipboard

Die erste vorgestellte Anwendung ist Flipboard [3] vom gleichnamigen Unternehmen aus Palo Alto und ist vor kurzen erschienen. Dieses erlaubt Social Media Dienste wie Twitter und Facebook  zu integrieren und die Inhalte in einer zeitungsähnlichen Art darzustellen. Damit erhält man weniger eine personalisierte, als vielmehr eine „private“ Zeitung. Was Freunde und Familie so erzählt, wird wie in einer Zeitung morgens in Bahn und Bus gelesen.

Dies konnten Zeitungen natürlich nie leisten. Der Erfolg der Anwendung war beeindruckend. Anfangs konnte der Ansturm an Nutzern nicht bewältigt werden. Inzwischen hat sich die Dienstqualität jedoch stabilisiert.

Mit Mike McCue [4] hat Flipboard darüber hinaus einen CEO, der seine vorherige Firma an Microsoft verkauft hat. Mitr diesem Kapital hat er daraufhin das Unternehmen gegründet und zusätzlich bis zum jetzigen Zeitpunkt 10 Millionen USD als Startkapital aufgetrieben. In 1996 als die ersten Schritte mit Online Publishing bei Verlagen wie SPIEGEL, ZEIT und Gruner+Jahr aufkamen, betrugen die Budgets für Online-Aktiväten nur 1% von solchen Beträgen. Die Ausgangslage ist für Flipboard also sehr gut.

Die persönliche Zeitung

Times for iPad [5]

Times for iPad

Von der Darstellung her in die selbe Richtung geht „Times for iPad [6]“ von der kanadischen Firma Acrylic. Auch diese Anwendung nimmt Inhalte aus dem Internet und generiert eine nach selbst definierten Rubriken sortierte Zeitung. Als Basis werden RSS-Feeds genommen. Ob diese von SPIEGEL, Macnews, Serienjunkies oder eben auch professionellen oder privaten Blogs kommt ist dabei nicht relevant. Man erhält eine professionell erscheinende Zeitung mit der Aufbereitung von Themen und Nachrichtenquellen, die man sich selbst zusammengestellt hat. Insbesondere Content Anbieter die sich entschieden haben ihre iPad Apps nur in Zusammenhang mit Zeitungsabos zu verkaufen, dürften hier eine Gefahr für Ihr Business Modell sehen.

Praktisch betrachtet müsste die Welt nun konsequenterweise den RSS Feed abschaffen oder ebenfalls kostenpflichtig machen, da sonst eine Kanibalisierung der iPhone App entstehen kann. Nimmt man nun noch dazu, dass es keine zentralen Standard und Plattform für Zeitungen und Magazine gibt, dürften diese Apps schnell ins Hintertreffen geschehen. Eine Strategie, dass viele kommerzielle Anbieter sich zusammenschliessen und eine zentrale App wo der Nutzer wieder sich die Inhalte zusammenstellen kann, könnte hier die Entwicklung zumindest aufhalten. Nutzer die über Medien & Wissenschaft aus der ZEIT informiert werden wollen, sich für den Sportteil der BILD interessieren, sowie politische und gesellschaftliche Themen aus Spiegel und Focus möchten, können heite nur zur Anwendung „Times für iPad“ zurückgreifen. Demnächst erscheint von der Anwendung auch eine Mac-Version, die auch die zusammengestellte Zeit automatisch mit dem iPad synchronisieren soll.

Fotopedia Heritage [7]

Fotopedia Heritage

Das endlose Fotomagazin

Eine zwangsläufig eher optisch orientierte Anwendung ist Fotopedia Heritage. Hierbei werden Fotos von tausenden Fotographen rund um die 890 UNESCO Welt- und Naturdenkmäler des Weltkulturerbes mit Bildern und Texten illustriert. Wie ein thematisches Fotobuch kann man hier drin unendlich blättern und sich auf einer Karte auch ansehen, wo sich diese Denkmäler befinden. Eine andere Art des Stöberns in einen Fotobuch, welches zeigt das elektronische Ausgaben auch hier Ihre Vorteile haben. Auch Flipboard erlaubt in gewissen Umfang Bilder zusammenzufassen, und sich darzustellen, aber dies ähnelt eher nur einer Bildergalerie. Fotopedia Heritage ist dabei ein Beispiel wohin die Reise eines Tages auch mit den persönlichen im Netz veröffentlichen Bildern gehen kann. Mit einen klassischen im Labor produzierten Fotobuch [8] ist das noch nicht vergleichbar, aber die erste Anwendung die Fotos der Freunde aus Twitter, Facebook und Twitter unter Nutzung von GPS Koordinaten und Begleittexten darstellt, dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Das Nachschlagewissensmagazin

Cooliris: Discover for iPad [9]

Cooliris: Discover for iPad

Die letzte Anwendung geht er in den Bereich des Nachschlagewerks. Das dicke Bücher wie die Encyclopedia Britannica [10] mit Verkaufsrückgängen von Buch und CD zu kämpfen hatten, ist nichts neues. Spätestens mit Aufkommen der Wikipedia kam diese altehrwürdige Publikation unter Druck. Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die Encylopedia Britannica von einer professionellen Redaktion mit intensiven Recherchen erstellt wird und die Wikipedia Community immer wieder durch selbstzerstörerische Tendenzen [11] auf sich aufmerksam macht, hatte die Bücher aus England ein Vorteil: Sie wirkten für den normalen weniger vom Internet abhängigen Leser einfach wert- und besonders vertrauensvoller. Manchmal ist Look & Feel mehr als nur nutzerfreundliche Systeme. Mit Discover for iPad [12]von Cooliris – ein ebenfalls in der San Francisco Bay Area ansässiges Unternehmen – kann man nun die Wikipedia in Form eines Lexikons erleben, wobei es teilweise wie die Ausgabe eines Magazins wirkt. Die indirekte Wirkung von dieser und anderen Anwendungen auf den Bereich der Nachschlagewerke – sei es Lexika, Duden oder andere – dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

Es scheint als sei der Bedeutungsverlust der gedruckten Zeitung und Magazine kaum noch aufzuhalten, wenn man sich Anwendungen wieFlipboard, „Times for iPad“ oder Fotopedia ansieht [13]. Dabei sind nicht das iPad oder die Applikationen das entscheidene, sondern die Verzahlung dieser Geräte mit den Inhalten im Internet und der Vorauswahl durch Social Media Dienste. Es wird nicht künstliche, sondern natürliche Intelligenz genutzt um Informationsquellen denen man traut zu finden und dann in einer zeitungsähnlichen und damit – ergonomisch gesprochen – erwartungskonformen Form darzustellen. Die private Zeitung mit Nachrichten von Freunden und Familie, die persönliche Zeitung mit den Inhalten die man sich wünscht, Nachschlagewerke aus dem Internet und die Bilder, die bekanntlich mehr sagen als tausend Worte. Ob die Verlagshäuser und Redaktionen darauf angemessen reagieren [14] können, wird sich zeigen müssen. 1995 hielten Verantwortliche in deutschen Verlangshäusern das Internet für etwas, was nicht überleben wird und setzten auf CompuServe. Es steht zu befürchten, dass sich hier die Geschichte wiederholen [15] wird.