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AR: „Menschen mit Fragezeichen im Gesicht“

Noora Guldemond [1]

Noora Guldemond mit der AR Smirnoff Flasche

Augmented Reality ist ein Thema [2] mit vielen Einsatzmöglichkeiten. Die Frage nach Umsetzung, Kosten und Entwicklungen beantwortet uns Noora Guldemond [3] von der Firma Metaio [4]. Schon seit ihrem Studium arbeitet sie für das Münchner Unternehmen und hat  in San Francisco das Büro mitaufgebaut [5].

In San Francisco hat sich das Silicon Valley Experiment mit ihr unterhalten.

svexp: Was ist das Besondere an Augmented Reality?

Noora Guldemond: Viele Menschen kennen virtuelle Welten, die in der Computergrafik eingebunden ist. Die Augmented Reality kann darüber hinaus in Echtzeit Dinge darstellen. Es sind in Echtzeit eingebundene und dargestellte digitale Inhalte. Wie aus dem Nichts erscheinen Grafiken auf dem Kamera Display, die auch nur da zu sehen sind. Nicht in der eigentlichen Welt, nur auf dem Display. Die Frage ist nicht, was man betrachtet, sondern was man sieht. Von der Marketing Seite aus betrachtet ruft es starke Emotionen hervor: Es hat einen Überraschungseffekt, die Menschen begreifen nicht wo es herkommt und wie es funktioniert.

Von der industriellen Seite aus gesehen, wo Metaio ursprünglich herkommt, bedeutet es eine enorme Zeitersparnis. Es wird beispielsweise erklärt, wie etwas montiert werden muss. [6]Das spart Zeit, denn alle Schritte werden grafisch wie in einem Computerspiel einzeln erklärt. Das Programm passt sich automatisch an, wenn der Schritt erledigt ist. Handbücher und umständliches Nachschlagen sind nicht mehr nötig und das macht es so erfolgreich, denn Zeit ist Geld.

svexp: Meine bisherige Erfahrung mit Augmented Reality ist, dass ich es ständig erklären muss und es auch sehr schwer in Worte zu fassen ist. Wie kommt das?

Noora: Ja, das ist tatsächlich so, denn es ist noch so neu. Das Thema ist noch nicht gebräuchlich und es ist keine Massentechnologie, noch nicht! Für die Menschen, die damit in Verbindung kommen, ist es toll, die können es sehen und direkt ausprobieren. Aber es ist schwierig, es den Menschen zu erklären, die es noch nicht kennen: „Du hast das Echte, du hast das Virtuelle, du hast eine Webcam, du hast das Handy“, und jeder hat ein Fragezeichen im Gesicht. Das Einfachste ist es, AR zu zeigen – was es ist, und was es leisten kann.

svexp: Kannst Du mir etwas über die Geschichte von Metaio erzählen?

Noora: Metaio ist in 2003 [7]gegründet worden. Die Gründer haben ein Ingenieurstudium des Maschinenbaus absolviert und haben bei Volkswagen und der TU München gearbeitet. Sie waren Beide auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Zusammen haben sie das Thema weiterentwickelt und bei einem Businessplan Wettbewerb teilgenommen und haben dort 25.000 Euro gewonnen. Beide haben nochmals 100.000 Euro investiert und so sind sie gestartet. Wir haben selber unsere eigene Software entwickelt, die auch für alle Projekte als Grundlage gilt und wir sind zum größten Softwareprovider für diese Technologie geworden, auch auf verschiedenen Plattformen.

svexp: Wie bist Du zur Augmented Reality und Metaio gekommen?

Noora: Ich habe im August 2007 in München angefangen, wo ich meine Diplomarbeit geschrieben habe. Im Anschluss haben sie mich übernommen und ich bin nach San Francisco gegangen um hier das US-Office zu eröffnen.

svexp: Wer sind die Kunden?

Noora: Metaio bietet B2B [8] Lösungen an. Dabei liegt unser Fokus  auf die industriellen Anwendungen aus unterschiedlichen Branchen. Unsere Lösungen werden beispielsweise von den größten Automobilherstellern genutzt. Zum Einsatz kommen Sie aber auch bei Anwendungen für den Handel wie z.B. das Einrichtungswerkzeug eines Möbelgeschäfts [9] oder die Virtuelle Garderobe [10]. Wir arbeiten aber auch mit Kunden und Marken zusammen wie z.B. dem Spielehersteller Lego [11].

svexp: Welche Erwartungen haben Auftraggeber von Metaio an Augmented Reality. Was kann es leisten, was kann es nicht leisten ?

Noora: Es hängt davon ab, mit wem man redet. In Amerika ist es eher auf das Marketing ausgerichtet. Und es hängt auch davon ab, ob man mit einer Agentur oder der Marke selbst arbeitet. Bei den Agenturen hoffen wir, dass sie die Kreativen sind und uns sagen, was sie wollen und wir es ausführen wenn es möglich ist. Es passiert viel in der Technologie und es ist mehr möglich, als was vor zwei Jahren möglich war. Manchmal bekommen wir Konzepte von den Agenturen, die einfach unrealistisch sind. Daher ist es wichtig, mit ihnen eng zusammen zu arbeiten, ihnen ein Feedback geben und die Erwartungen zu managen. Häufig haben sie Konzepte von denen zumindest ein Teil möglich ist. Viele der Applikationen, die in den letzten zwei Jahren auf den Markt gekommen sind, waren Ideen und Aufträge von Kunden. Durch diese Projekte entwickeln wir uns auch weiter. Die Grenze ist dort, wo sie gesetzt wird, es gibt keine echten Grenzen und es kann viel getan werden.

svexp: Bis jetzt wird Augmented Reality hauptsächlich auf Handys genutzt. Wird es eines Tages spezielle Einzellösungen geben oder wohin geht die Entwicklung auf Hardwareseite ?

Noora: Der Hype ist auf dem Handy. Das Locacionbased ist natürlich noch immer der Renner. Dann kommt nun aber auch hinzu, dass ein paar große Amerikanische Publishers ihre Zeitungen mit Augmented Reality versehen werden. Und das schon nächste Woche. Jeder schreit, dass Print tot ist, aber mit der Augmented Reality werden die Menschen wieder lesen. Dazu gibt es noch die Kiosksysteme. Es ist nicht nötig Online zu gehen, keine Webcam, kein Programm installieren, einfach die Box davor halten und da ist die AR. In den Geschäften ist eben der Platz, wo die Marken ihre Produkte verkaufen. Dann gibt es auch Online Projekte wie von Kraft und Nestlé. Bei einem Trinkjoghurt haben sie Sammelkarten verteilt, mit denen man dann vor der Webcam ein Spiel spielen konnte, um alles spielen zu können, sind eben alle Karten nötig.

svexp: Wie lange ist eine Spezifikation und Projektphase für ein AR Projekt und welche Kosten stehen an ?

Noora: Das hängt von der Komplexität ab, das aufwändigste ist der 3D content und bei Marken wie Lego oder Minicooper ist es einfacher, da sie bereits den 3D Content haben, das geht dann schneller und ist kostensparender. Die Kosten beginnen so in etwa bei 50.000 Euro bei online und Kiosksystemen. Bei Mobilen Applikationen ist die Frage nach der Plattform und welche Erfahrungen mit dem App erteilt werden sollen. Das ist dann etwas billiger. Die Dauer zur Entwicklung vom Anfang bis Ende dauert so drei bis vier Wochen. Auf alle Fälle unter sechs Wochen.

svexp: Welche Beispiele fallen spontan ein, wo Augmented Reality Marketing oder Sales nachweisbar befördert haben?

Noora: Lego hat im November 2008 als Testphase mit AR begonnen. Dieses Jahr im April haben sie sich entschlossen, das System in allen weltweiten Lego Brand Stores zu installieren. Für Online Kampagnen ist es ein Zuwachs von 1 – 3 %; Auto Bild, Mini Cooper, Harry Potter, Süddeutsche, … Die Smirnoff Flasche ist eine Augmented Reality Flasche. Diese ist limitiert, hat ein eigenes Design, ist also dadurch wieder ein Sammlerobjekt. Ein weiteres Beispiel wäre ein Auto, welches nur in der AR zu betrachten war, da es noch nicht gebaut war. Im Schnitt hat sich der Kunde acht Minuten konzentriert mit dem Auto beschäftigt.

svexp: Metaio hat viele Anwendungen umgesetzt. Gibt es dazu schon konkrete Erfahrungen, die in eine Weiterentwicklung eingegangen sind?

Noora: Durch die Aufträge der Kunden entwickeln wir uns auch selber immer weiter und damit auch die Möglichkeiten, was machbar ist. So ist die Augmented Reality von den statischen Markern [12]weggekommen, es ist nicht mehr notwendig diese zu legen, es reicht aus, ein Bild zu nehmen und den Content darüber zu legen. Bei Lego ist es einfach nur die Schachtel die erkannt wird. Ein weiteres Beispiel dazu wäre der Minicooper oder die Smirnoff Flasche. Die Smirnoff-Flasche ist ja durchsichtig, was es schwierig macht, den Inhalt darzustellen. Wir mussten unsere Anwendungen stark für diese Flasche optimieren.  Die Entwickler haben mit den entsprechenden Parametern lösen können.

svexp: Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet metaio?

Noora: Es gibt Bildbände, Zeitungen wie die Süddeutsche, Autos, Smirnoff, Lego, es gibt praktisch keine Grenzen [11]. Es ist prinzipiell alles möglich und machbar um Content drüberzulegen. Unser Team besteht aus Enthusiasten und diese programmieren Tag und Nacht mit Leidenschaft.

svexp: Rentiert es sich, sich als Firma auf Augmented Reality spezialisiert zu haben?

Noora: Wir haben von Anfang an Profit gemacht. Und wir programmieren als  Bootstrap [13] und haben mit 25.000 Euro Startkapital begonnen. Wir sind daher sehr flexibel. Wir machen Lizenzbusiness und eben diese Projekte. Wir geben auch Plattformen weg, wo dann unsere Kunden selber ihre Projekte entwickeln können und bieten Schulungen an. Ein schwacher Punkt in der AR ist der Browser, der die Anforderungen nicht leisten kann. Firmen kommen auf uns zu und sagen was sie wollen und wir entwickeln es dann, soweit es realisierbar ist.

svexp: Wenn sich die Augmented Reality dadruch auszeichnet, die Menschen durhc die Überraschungseffekte zu beeindrucken, besteht dann nicht die Gefahr, wie bei Second Life, dass, wenn es irgendwann ausbleibt, sich niemand mehr dafür interessiert?

Noora: Das ist natürlich möglich, aber dadurch dass es in so vielen verschiedenen Bereichen angewendet wird, interaktiv und vor allen Dingen auch edukativ ist und ständig weiterentwickelt wird, sehe ich das persönlich nicht passieren.

svexp: Ist AR die Zukunft?

Noora: Ich sehe den Vorteil darin, dass man mit der Hilfe von Augmented Reality Geld sparen kann. Und Augmented Reality ist eine tolle Marketing Möglichkeit um den Menschen Geschichten zu erzählen. Persönlich bin ich für die industriellen Anwendungsmöglichkeiten, wo ich sehen kann, was ich kaufe. Wenn es in Geschäften angewendet wird, wie z.B. Lego es macht ist es sehr einfach. Die Box wird einfach unter die Kamera gehalten und da ist dann die Augmented Reality. Ich muss kein App runterladen, kein Telefon haben, nichts installieren. Es ist das sofortige Erlebnis der Augmented Reality. Menschen, die ein Smartphone haben, laden sie die Apps sowieso runter. Aber als Kiosksystem ist es eben ein Schritt weniger, der getan werden muss.

svexp: Vielen Dank für das nette Gespräch!

(AE [14])