Auf der Suche nach der Suche

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Die erste Search Engines Strategy Conference & Expo (SES) dieses Jahres fand in New York statt. Drei Tage lang präsentieren sich SEO-Manager, -Berater, Technologiefirmen und weitere Interessierte um sich über aktuelle Strategien und Studien zu informieren.

Am Dienstag, den 22. März 2011 wurde die SES mit der offiziellen Keynote, gehalten von Duncan Watts, eröffnet. Der Principal Research Scientist von Yahoo! präsentierte gleich zu Beginn einige interessante Ergebnisse aus seinen Studien.

Who talks to whom about what, through which channel and with what effect? – Harold Lasswell, 1940

Gleich vier Studien vom Jahr 2001 bis heute stellte der ehemalige Soziologie Professor der Columbia Universität vor, die er unter Einbeziehung des Webs als Werkzeug für soziale Studien durchgeführt hat. Alle haben etwas mit der sogenannten „Lesswell’s Matrix“ zu tun. Bereits 1940 hat sich Harold Lasswell mit einem essentiellen Problem innerhalb der Kommunikation befasst. Er ging der Frage nach, wer mit wem über was spricht, welches Medium dabei genutzt und welcher Effekt dabei erzielt wird. Hört sich das auf den ersten Blick nach einer einfachen Frage an, ist die „Lesswell’s Matrix“ nicht so einfach zu beantworten und ist inzwischen zu einer eigenen Wissenschaft geworden. Schon wer mit wem redet ist schwierig zu beantworten; wer auf wen welchen Einfluss hat noch schwerer, da es einfach zu viele Kanäle gibt, über die sich Informationen verbreiten.

Six Degrees of Separation

SVB 6degrees

6 degrees of separation

Bereits 1960 haben Stanley Milgram and Jeffrey Travers ein Experiment durchgeführt, welches sie “Small Worlds“ nannten. 300 ausgewählte Personen aus Boston und Omaha sollten ein Paket an eine Zielperson in Boston vermitteln, ohne dabei die reguläre Post zu nutzen. Sie sollten es an einen Bekannten geben, der das Paket näher an sein Ziel bringen kann. Die nächsten Person bekam die gleichen Anweisungen. Am Ende haben 64 von den ursprünglich 300 Paketen das Ziel erreicht und ging dabei durchschnittlich durch sechs Stationen, die sogenannten „six degrees of separation“.

Bored at Work Network

Watts versuchte im Jahr 2001 – 2002 das Experiment zu reproduzieren und nannte es in Analogie dazu „the small world on the web“. Es wurden aber keine physikalischen Pakete weitergegeben, sondern kleine Web Server, die an 18 Ziele weltweit von rund 24.163 Sendern auf den Weg gebracht wurden. Diese passierten auf ihrer Reise 61.168 Stationen in 166 Ländern. Am Ende erreichten 400 der Pakete ihr Ziel, durchschnittlich über sechs Stationen, was die Studie von 1960 bestätigte. Eine weitere Erkenntnis war, dass ein Experiment mit rund 60.000 Teilnehmern weltweit stattgefunden hatte, welches keine Kosten verursacht hatte und die Entdeckung des „bored at work network“. Dieses bedeutet, dass sich ein Jeder gerne minimal fünf Minuten lang aus purer Langeweile an Dingen beteiligt. Doch war dieses noch kein wirkliches wissenschaftliches Labor Experiment, und er stellte sich die Frage, ob er ein „virtuelles Labor“ innerhalb des Webs kreieren könne.

Success in cultural markets

SVB Duncan Watts

Duncan Watts

Von 2004 – 2005 untersuchte er die sogenannten kulturellen Märkte. Das sind die für beispielsweise Bücher und Musik. Innerhalb der Musik haben „Hits“ im Vergleich zu anderen Stücken einen überdurchschnittlich großen Erfolg, sodass er sich die Frage stellte, ob dieses Phänomen künstlich zu generieren wäre und ob dieses Phänomen anhand von „sozialem Einfluss“ erklärt werden könne. Zu diesem Zweck wurde eine Plattform namens „Music Lab“ errichtet auf der 48 unbekannte Bands vorgestellt wurden. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine sah nur den Namen der Band und den Titel des Liedes, die andere sah zusätzlich noch die Anzahl der bisherigen Downloads der einzelnen Lieder. Es stellte sich heraus, dass sich bei der zweiten Gruppe, die unter dem sozialen Einfluss untereinander stand, stark voneinander beeinflusst wurden. Daraus ist zu schlussfolgern, dass kollektive Entscheidungen einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben. Das Paradoxe am sozialen Einfluss ist, dass obwohl mehr Informationen zur Verfügung stehen, sich an den Entscheidungen der Masse orientiert wird und nicht an den eigenen Vorlieben oder Geschmack. Dennoch ist es nicht einfach zu manipulieren, denn das Experiment zeigte, das zwar einzelne Entscheidungen, aber nicht ein kompletter Markt beeinflusst werden kann.

Twittter – everyone is there to listen – Duncan Watts

Das Experiment zeigte die Bedeutung von Influence. Aber diese ist im wahren Leben schwer zu messen, denn wer hört auf wen und mit welchem Effekt? Twitter ist geradezu dafür prädestiniert diese Fragen zu beantworten, denn sie sind komplett messbar. Logischweise gibt es hier viele verschiedene Akteure, vom einfachen Nutzer über Blogger zu Zeitungen, Jornalisten, Experten, Regierungen und Berühmtheiten um nur einige zu nennen. Anhand von den URL-Shortener ist bei der Messung des Einflusses eines jeden einzelnen extrem hilfreich. Aber die Frage, wie einzelne Personen in entsprechende Kategorien eingeteilt werden können, konnte erst im November 2009 beantwortet werden, als Twitter die Listen Funktion einführte.

Classifying Users with Lists

SVB- twitter einfluss

Der Twitter-Einfluss innerhalb der Kategorien

Hierzu teilte er die Nutzer anhand ihrer Tweets in vier „Elite“-Kategorien von jeweils 5.000 verschiedenen Accounts ein, welche er genauer untersuchte.

  • Berühmtheiten
  • Medien
  • Organisationen
  • Blogs

Daraus hat er folgende Erkenntnisse gewonnen. 50% aller Tweets die den Durchschittsuser erreichen stammen von diesen 20.000 „Elite“-Usern, welchen sogar zu 45% direkt gefolgt wird. Die Berühmtheiten sind hierbei aussen vor, da sie alle anderen Kategorien um Längen schlagen. Danach kommen die Medien, Organisationen und am Ende die Blogs. Desweitern sind die „Elite“-User auch aktiver, Medien vor Blogs, Organisationen und Berühmtheiten. Dennoch verbreiten die Normalen User insgesamt am Meisten URLs. Berühmtheiten wiederum Retweeten nicht, da sie anscheinend nur Interesse an sich selber haben, Medien und Organisationen nur ein kleines bisschen, während die Blogger dieses am Meisten tun.

Two Step Flow of Information

Dieses wiederrum brachte machte ihn auf ein weiteres Phänomen aufmerksam, dem bereits 1950 von Katz und Lazarfeld erforschten dem „Two Step Flow of Information“. Dieses sagt aus, dass einzelne Individuen, sogenannte „Meinungsbilder“ als Schnittstelle zwischen den Massenmedien und der breiten Masse dienen. Auf seine Twitter-Studie angewandt, stellte Watts fest, dass von den 5.000 Medien-Accounts der Informationsfluss direkt oder indirekt die Masse erreichte, denn 60% der User erhielt minimal einen Link aus dieser Gruppe, während die anderen 40% einfach nicht an entsprechenden Informationen interessiert sind. Von diesen 60% kamen indirekt 46% bei den „Meinungsbildern“ und 14% direkt bei den Usern an, was die Theorie der „Two Step Information“ beweist.

Twitter Influence

In seinem vierten Projekt konzentrierte er sich auf die im Durchschnitt erhaltenen Retweets eines Users und kreierte auf diesen basierend einen Influencescore. Dazu untersuchte er über den Zeitraum von zwei Monaten rund eine Milliarde Twitterposts von rund 56 Millionen Usern. Für jeden Post zählte er die Anzahl der Retweets und die der Follower von den einzelnen Usern, etc. Das Endergebnis ist mit durchschnittlich 0,14 nicht gerade hoch. Desweiteren untersuchte er, ob es möglich sei, den Erfolg eines Tweets vorauszusagen, was zu einem Ergebnis von 0,34 führte. Er erkannte hierbei zwei wesentliche Faktoren, welche augenscheinlich eine Rolle spielen, nämlich den vorangegangenen Einfluss sowie die Anzahl der Follower eines Einzelnen. Alles weitere ist uninteressant. Überraschenderweise ist es nicht wichtig, wie oft getweetet wird, wie oft der Account genutzt wird, wie vielen Personen gefolgt wird oder welcher Inhalt verbreitet wird. Ein weiteres Muster wäre nicht zu erkennen, denn auf dem individuellen Level sind diese Vorhersagen unzuverlässig und geben keine „perfekten“ Resultate. Glücklicherweise können viele verschiedene Posts zu einem Thema gemacht werden, welche dann einen höhere Chance auf Verbreitung haben.

Everyone is an Influencer

Es ist augenscheinlich unmöglich, vorherzusagen, welchen Einfluss ein Tweet haben wird. Logischerweise haben User, die häufiger etwas relevantes sagen, mehr Einfluss auf die Masse, aber auch dieses ist schwer zu messen und eher willkürlich. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, die entsprechenden Influencer zu bezahlen, damit sie etwas bestimmtes tweeten. Aber unter dem Strich scheint es besser zu sein, sich auf „normale Influencer“ zu beschränken, da es sinnvoller ist, eine Information von vielleicht 1000 verschiedenen Usern selbst nur einmal retweeten zu lassen, als sich auf einige wenige ausgewählte zu konzentrieren.

Zusammenfassend meinte der Autor von „Everything is Obvious: Once You Know The Answer“ (Crown Business, March 2011), dass wir auch nach diesen 10 Jahren intensive Forschung die Ausgangsfrage stellen müssen „Who talks to whom about what, through which channel and with what effect?“ und dass jedes dieser kleinen Experimente und der Antwort ein kleines Stück näher gebracht hat:

  • Das erste Experiment zeigte, wie ein großes Netzwerk sich auf den Einzelnen auswirkt
  • Music Lab zeigte die soziale Abhängigkeit des Kollektives und dass es nicht zu steuern ist
  • Die Twitterexperimente zeigen, dass sich die Aufmerksamkeit auf einzelne Gruppen konzentriert, aber schlussendlich ebenfalls schwer vorauszusagen ist, was der Einzelne am Schluss tut.

Nach dieser sehr informativen und spannenden Keynote, sind noch einige weitere hochkarätige Panels und Präsentationen zu erwarten. Wir werden darüber in den nächsten Tagen berichten. (AE)

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