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Bewerbungsfalle Social Media?

Recruitment in the virtual World [1]

Recruitment in the virtual World

Noch gar nicht so lange ist es her, da hat man seine Bewerbung noch handschriftlich geschrieben, alles fein säuberlich eingetütet und bei der Firma seiner Wahl persönlich abgeben. Heutzutage muss es schon eine akkurat designte und durchdachte Bewerbungsmappe sein, die von Abschlusszeugnissen und Praktikumsnachweisen, Weiterbildungszertifikaten und ausreichend erstklassigen Arbeitszeugnissen nur so wimmelt.

Social Media Quellen sind nun eine weitere Möglichkeit Bewerber zu durchleuchten. Eine Möglichkeit die in den USA, Australien und anderen Ländern von Unternehmen direkt oder durch Agenturen verstärkt genutzt wird.

Man will einen besonders guten und professionellen Eindruck bei seinem potentiellen Arbeitgeber machen, denn die Konkurrenz für gut bezahlte Positionen ist groß. Nur, denkt man dabei auch an die nur suboptimalen Fotos, die der Kollege von der letzten Weihnachtsfeier bei Facebook eingestellt hat? Oder die Mitgliedschaft in zweifelhaft rühmlichen Gruppen, die sich einen Spaß daraus machen, möglichst private Inhalte für jedermann zugänglich zu machen und dabei über die Betroffenen herzuziehen?

Bewerberinformationen à la Social Media

Man meint, was für die private Umgebung bestimmt ist, bleibe auch privat und hat mit dem beruflichen Leben nichts zu tun. Heutzutage aber zählen auch vermehrt unsere virtuellen Profile zu unserem Gesamtbild dazu, welche beliebig abgerufen und nach interessanten, verdächtigen oder kuriosen Informationen durchsucht und zur Erstellung eines Profils der ganz anderen Art verwendet werden kann. Bereits 60% der Unternehmen [2] geben an, Bewerber für offene Positionen parallel zu ihrer Bewerbungsmappe zu googeln, um mehr über die Persönlichkeit oder Ausschlusskriterien wie Rechtsradikalismus oder übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum zu erfahren. Daneben spielen aber vor allem die Social Media Webseiten eine große Rolle, die besonders US-Unternehmen schon lange als Quelle für heiße Informationen ausgemacht haben. Das Unternehmen Social Intelligence [3], ansässig in Santa Barbara, Kalifornien, hat sich auf Dienstleistungen dieses Marktsegments spezialisiert. Sie schicken ihren Auftraggebern nach ihrer Web-Recherche ein ausführliches Dossier über interessante „off-the-table“ Informationen und optimieren so die Personalauswahl ihrer Klienten.

We are not detectives,all we assemble is what is publicly available on the Internet today. – Max Drucker, Social Intelligence

Oftmals wegen ihrer teils legalen, teils illegalen Praktiken angegriffen, wehren sich die Unternehmer mit dem Statement, dass sie keine Detektive wären, sondern nur Informationen verwerten, die frei zugänglich sind. Bei den 75% aller US-Personaler [4], die von ihren Vorgesetzten bisher schon vorgeschrieben bekommen, potentielle Kandidaten für eine offene Stelle im Unternehmen vor Einstellung erst einmal online zu überprüfen, verspricht der Service von Social Intelligence hohen Umsatz und bisher vor allem eine Marktlücke, die es auszuschlachten gilt. Konkurrenzfähige Mitbewerber sind noch nicht in Sicht. Firmen, die diesen Service nutzen, versprechen sich davon vor allem, einen Bewerber zu finden, der zu der eigenen Unternehmensphilosophie passt und der das eigene Produkt gut vermarkten kann oder eben mit seinen zukünftigen Team-Kollegen auf einer Wellenlänge ist. Die Stärke des bisher so hochgejubelten Diversity Management wird in diesem Fall eher kleingeschrieben, während man den Eindruck bekommen kann, es geht vor allem darum, möglichst karriereorientiertes und gut funktionierendes Personal [5] zu finden.

In marketingwirksamen Beispielen des Unternehmens wird dann auf Aufträge von Kunden hingewiesen, bei denen vielversprechende Kandidaten anhand von  Fotos, die den Kandidaten mit einer Vielzahl von Schusswaffen zeigen, ausgesiebt werden konnten. Vor allem auch Drogenmissbrauch oder sexuelle Freizügigkeit stehen in den USA ganz oben auf der „Fahndungsliste“ der Unternehmen. Lässt sich ein Kandidat hier etwas zu Schulden kommen, hat er auf dem Markt keine Chance mehr.

Diskrimierung 2.0?

Problematisch wird das Ganze erst richtig, wenn Informationen, die in Bewerbungsgesprächen nicht abgefragt werden dürfen, dazu genutzt werden, Bewerber auszusieben. Denken kann man in diesem Fall an eine bestimmte Religionszugehörigkeit, Wahlpräferenzen, einen unerwünschten ethnischen Hintergrund oder eine geplante oder bestehende Schwangerschaft. Diese Art der Diskriminierung ist in einem demokratischen Staat wie Deutschland durch entsprechende Gesetze verboten, aber kann man sich gegen etwas wehren, von dem man nichts erfährt?

Absagen, die vielleicht auf solchen diskriminierenden Gründen [6] basieren, werden nicht als solche ausgeben und selbst wenn man es herausbekommt, sind die Erfolgsaussichten für eine Klage gering. Auch wenn es bisher vor allem die USA sind, die von solch radikalen Praktiken Gebrauch machen, kann man sich auch in Deutschland vorstellen, dass es in naher Zukunft Absagen an Bewerber geben wird, die nicht auf Persönlichkeit oder Qualifikation, sondern auf einer falschen Religionszugehörigkeit beruhen.